Angelo
Ausstellung von Christine Böer
mit drei Kostümen von Rossana Molinatti
Der Venezianische Karneval mit seiner Mischung aus Kitsch und Klischée ist ein gefährliches Sujet. Allzuoft verstellt eine gewisse Beliebigkeit wie die von Dreispitz und Allongeperücke eine Sicht auf originelle Kreation.
Doch als Schauplatz der Verwandlung bleibt das pastellfarbene Venedig, ”das Wunder im Wasser“, einfach unübertroffen. Ist die Stadt doch selbst eine Fata Morgana. Nach wie vor wallfahrten Kostümfetischisten aus der ganzen Welt hierher, um zum Karneval vor aller Augen zu paradieren. Denn Sehnsucht verbindet. Sehnsucht, die sich hinter einer Maske ahnen läßt. Der Gedanke, daß ein Individuum Wünsche auslebt, indem es sich verkleidet, hat mich immer fasziniert.
Der Zeichenstift ermöglicht einen besonderen Zugang zum Menschen. Im Unterschied zum Fotografieren, das nur den Bruchteil einer Sekunde währt, brauche ich als Zeichner Zeit. Nicht nur zum Beobachen. Zeichnen ist für mich eine besondere Art der Kommunikation, die das Gegenüber öffnen kann. Im Dialog von Linien und Blicken, im Duell des Sich Herantastens und des Sich Preisgebens entsteht nicht nur ein Abbild. Zeichnen bedeutet Weglassen. Es ist der Versuch, das Wesentliche herauszufinden. Hinter den Bildern der Paradiesvögel verbergen sich auf diese Weise immer auch Geschichten, die die Gezeichneten zusätzlich charakterisieren.
Die Ausstellung ”Paradiesvögel des Carnevale di Venezia“ besteht aus 60 Porträts von ausgewählten Persönlichkeiten, denen ich im Laufe der letzten zehn Jahre begegnet bin. Dazu kommen amüsante und didaktische Texte zum Thema Karneval sowie stimmungsvolle Fotos. Einen Kontrast zu den Zeichnungen bilden drei Omaggi – dreidimensionale Figuren von Rossana Molinatti, einer gebürtigen Venezianerin – die seit 18 Jahren einem berühmten Künstler ein Kostüm widmet.
Die Ausstellung fand 2003 im Völkerkundemuseum in Hamburg statt und 2004 im Zeughaus in Lübeck. Sie wurde beide Male verlängert. Da auch ich zu den Süchtigen gehöre, die es immer wieder nach Venedig zieht, gewinnt die Präsentation jedes Jahr weitere Facetten. Sie wird nach Absprache verliehen.
Zur Ausstellung ist eine Mappe mit 10 Grafiken erschienen.
Christine Böer